Elektrische Widerstandstomographie (EWT) in der Baumdiagnose

(Weihs et al. 2001)

 

Der Diagnose von Fäule in stehenden Bäumen kommt im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht im öffentlichen Grün eine große Bedeutung zu. Die Methodenvielfalt zur Diagnose am stehenden Baum reicht von der einfachen Klopfmethode über die Entnahme von Bohrkernen und die Anwendung von Bohrwiderstandsgeräten bis hin zur Schall- und Elektrischen Widerstandstomographie sowie Zugversuchen (Weihs und Rust 2007).
Große Unterschiede zwischen den einzelnen Methoden bestehen hinsichtlich des Grades der Holzzerstörung und der Sicherheit der Diagnose bei verschiedenen Stammdefekten und Holzveränderungen. Insgesamt besteht in der Praxis der Baumpflege nach wie vor ein großer Bedarf an geeigneten Messmethoden, die weitgehend zerstörungsfrei sind und ein zumindest „zweidimensionalen Blick“ in das Bauminnere ermöglichen, dabei mit vertretbarem apparativen Aufwand auskommen und für den Anwender möglichst geringe sicherheitstechnische Risiken mit sich bringen. Diese Anforderungen werden von der EWT erfüllt. 

Im Jahre 1999 wurde an der HAWK-Fakultät Ressourcenmanagement in Göttingen die Projektgruppe„Zerstörungsfreie Baumdiagnose“ ins Leben gerufen. Nach mittlerweile 14 Jahren intensiver Forschung hat sich das ursprünglich aus der Geophysik stammende Verfahren der „Elektrischen Widerstandstomographie“ (EWT)  erfolgreich als eingehende Untersuchungsmethode bei der Beurteilung der Verkehrssicherheit von Bäumen etabliert.

Das Prinzip der EWT beruht auf der Messung von elektrischen Potentialdifferenzen (Spannungen), die ein über Stichelektroden in den stehenden Stamm eingespeister Wechselstrom verursacht. Die Stromeinspeisung und der Spannungsabgriff erfolgen dabei nur an der Stammoberfläche des zu untersuchenden Baumes. Anhand der dort gemessenen Spannungswerte kann auf die elektrische Leitfähigkeitsverteilung im Innern des Stammes geschlossen werden, durch deren charakteristische Kontraste eine Diagnose holzphysiologischer Veränderungen wie Farbkerne oder Fäule ermöglicht wird.
In der praktischen Anwendung des Verfahrens an stehenden Bäumen hat sich eine axialsymmetrische Anordnung bewährt, bei der über eine freie Verkabelung oder über einen Konfigurationsring 24 Elektroden in der gewünschten Querschnittsebene äquidistant auf dem Baumumfang verteilt werden. Je zwei Elektroden dienen jeweils zur Stromeinspeisung und zwei andere für den Spannungsabgriff (sog. Vierpunktanordnung). Für die Ankopplung der Elektroden an den Baum ist in der Regel ein vorsichtiges Eindrücken der Nadelspitzen in das Kambium des Baumes ausreichend.  

 

 

 

Die am Anfang dieser Seite sowie in der Abbildung rechts dargestellten Anwendungsbeispiele  zeigen als Erstes eine eine Linde (Tilia spp.) mit zentraler Stammfäule, die bereits zu einer großen Höhlung im Stamm geführt hat. Bei der Überlagerung der  Stammscheibe aus der Messebene mit dem farbigen Widerstandstomogramm ist bemerkenswert, wie exakt die Lage und die räumliche Ausdehnung der Kernfäule im Stammquerschnitt abgebildet werden. Der nicht leitende Hohlraum erscheint dabei als schwarzer, sehr hochohmiger, d. h. elektrisch schlecht leitender Bereich. Ebenfalls gut getroffen ist die noch im beginnenden Zersetzungsstadium befindliche „feuchte Fäule“ im linken Restwandbereich des Lindenstammes. Im Gegensatz zur hochohmigen zentralen Hohlfäule wird diese Fäule als sehr gut leitender, feuchter Bereich blau dargestellt. Die zweite Bildreihe der linken Abbildung zeigt eine spannrückige Rotbuche (Fagus sylvatica L.) mit Rindeneinwachsungen, die in der Messebene eine zentral von NNO nach SSW verlaufende, ovale Faulstelle aufweist. Im Gegensatz zur Hohlfäule der Linde hat die Weißfäule bei dieser Buche noch keine Höhlung im Stamm hervorgerufen. Die Fäule befindet sich im aktiven Stadium, das sich sowohl durch eine erhöhte Holzfeuchtigkeit als auch einen erhöhten Elektrolytgehalt auszzeichnet. Entsprechend weist die blaue Farbe des Widerstandstomogrammes im Bereich der Faulstelle eine deutlich erhöhte erlektrische Leitfähigkeit auf. Die dritte und vierte Bildreihe verdeutlichen am Beispiel einer Rotbuche (Fagus sylvatica L.) und einer Esche (Fraxinus excelsior L.), dass sich mit Hilfe der EWT auch Ausprägungen von Farbkernen im Stammholz lebender Bäume diagnostizieren lassen, deren Ausbildung bei forstwirtschaftlich wichtigen Wirtschaftsbaumarten i.d.R. mit einer deutlichen Wertminderung einhergehen. In beiden Fällen, sowohl bei der abgebildeten Rotbuche (Fagus sylvatica L.) mit einem „abnormer Kern“ als auch bei der Esche mit fakultativem Braunkern, handelt es sich um Farbkerne, die sich im Vergleich zum umgebenden weißen Holz durch eine deutlich höhere Darrbezugsfeuchte auszeichnen und somit im elektrischen Widerstandstomogramm als gut leitende, blaue Bereiche dargestellt werden.

Wie die folgenden Veröffentlichungen belegen, ist die EWT auch zur Diagnose von Stock- und Wurzelfäule geeignet, da das elektromagnetische Feld bei Messungen im bodennahen Stammfußbereich eine halbraumartige Sondierung des Wurzelraumes erlaubt (Weihs und Jaschinski 2011 Weihs et al. 2013).