Gehölzwertermittlung

Einleitung
Es gibt verschiedene Wertermittlungsmethoden (s. u. a. FLL-Wertermittlungsrichtlinie (2002) und Tiedtke-Crede 2003, über deren Vor- und Nachteile eine kontinuierliche Auseinandersetzung bzw. kritische Diskussion in der einschlägigen Fachpresse geführt wird. 

Die bei der Baumwertermittlung heute überwiegend angewandte Methode stellt die METHODE Koch dar, bei der Werner Koch in den sechziger Jahren erstmals zur Wertermittlung von Gehölzen das Sachwertverfahren der Grundstückswertermittlung herangezogen hat (ausführlich siehe FLL-Wertermittlungsrichtlinie (2002)).

Methode KOCH

Wie die folgende Aufstellung des Wertermittlungsgangs der Methode KOCH zeigt, beinhaltet sie die Berechnung der funktionsbezogenen Herstellungskosten eines Gehölzes nach gegenwärtigen Preisverhältnissen unter Berücksichtigung von Mängeln und Fehlern sowie Alterswertminderungen.  

 

Die Methode Koch ist seit dem als „Kastanienbaumurteil“ bekannt gewordenen Urteil des BGH vom 13.5.1975 - VI ZR 85/74, K6 - beim Schadenersatz seit über 35 Jahren höchstrichterlich anerkannt. Einen fundierten Überblick zu verschiedenen Aspekten der Wertermittlung von Gehölzen (Schutz- und Gestaltungsgrün) und ihrer zeitlichen Entwicklung innerhalb der letzten 35 Jahre findet der interessierte Leser bei Schulz (2012).

Bei der Wertermittlung von Bäumen und Sträuchern als Schutz- und Gestaltungsgrün nach der Methode Koch werden die in der Vergangenheit bereits entstandenen Herstellungskosten des Gehölzes berechnet. D. h., dass es bei der Berechnung des Gehölzwertes nicht um die zukünftig entstehenden Herstellungskosten eines nachzupflanzenden Gehölzes, sondern um die dem Baumeigentümer in der Vergangenheit bereits entstandenen Herstellungskosten geht (nach BGH sog. Vorhaltekosten).

Während die FLL-Wertermittlungsrichtlinie in der Fassung aus dem Jahr 2002 (FLL 2002), die demnächst eine Neuauflage erfahren soll, für die Verzinsung dieser Vorhaltekosten einen Zinssatz in Höhe von 4 % vorsieht, empfiehlt Tiedtke-Crede (2013) in ihrem Beitrag zum SVK Gehölzseminar in Hannover einen aktuellen Zinssatz von 3 %. 

Da es sich um kalkulatorische Kosten handelt, sind aktuelle Angebote von Garten- und Landschaftsbauunternehmen oder Baumschulen zur Schadensbehebung nicht geeignet, den Wert von Gehölzen wiederzugeben.

Grundsätzlich ist bei der Ermittlung eines angemessenen Schadenersatzbetrages für Gehölze zu beachten, dass sie wesentliche Bestandteile eines Grundstückes sind (§94 (1) BGB). Ihre Beschädigung oder Zerstörung stellt eine Grundstückswertminderung dar, die zumindest der Substanzwertminderung der betreffenden Gehölze gleichgesetzt werden kann.

Wesentlich für den Schadenersatzfall ist die möglichst schnelle Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, d. h eine baldige Schadensbehebung, sofern möglich als sog. Naturalrestitution, deren Möglichkeit zu Beginn der Schadensermittlung daher sachverständig geprüft werden sollte.

Die Methode Koch hat mehrere „sensible Positionen“ die das Wertermittlungsverfahren nachhaltig beeinflussen. Dies sind insbesondere die vom Anwender festzulegenden Parameter Gehölzausgangsgröße, weitere Herstellungszeit und Zinssatz.

Die Wahl der Gehölzausgangsgröße wird unter Berücksichtigung der Kostenverhältnismäßigkeit im Sinne einer möglichst baldigen Schadensbehebung und entsprechend der Funktion des Gehölzes für das Grundstück getroffen. KOCH hat in diesem Zusammenhang formuliert, was der BGH im vorzitierten Kastanienbaumurteil sinngemäß verlangt hat, nämlich sich bei der Wahl der Ausgangsgröße von Gehölzart, Standort und Funktion leiten zu lassen und die Gehölzgröße so zu wählen, wie sie für einen wirtschaftlich vernünftigen Baumeigentümer (oder einer anderen Person, die eine Pflanzung vornimmt) noch nahe liegen würde.

Dabei kommt der Gehölzfunktion eine besondere Bedeutung zu. Sie wirkt wesentlich bei der Wahl der Ausgangsgröße. Es gilt: Hohe Funktionen bedingen größere Gehölzstärken, niedrigere Funktionen bedingen geringere Gehölzstärken. Die Wahl der Gehölzstärke korrespondiert also unmittelbar mit der Funktion des Gehölzes.

Hat das geschädigte Gehölz eine hohe Funktion am gegebenen Standort gilt im Schadensfall die Prämisse, die Funktion des Gehölzes in möglichst kurzer Zeit wieder herzustellen. Im Gegenzug kann aufgrund der gewählten Größe des nachzupflanzenden Solitärbaumes die Herstellungszeit bis zur Funktionserfüllung niedriger angesetzt werden (z. B. nicht mit 20 Jahren, sondern nur mit 10 oder 15 Jahren, was zu einer deutlichen Reduzierung der Pflegekosten sowie der Zinskosten für die Pflege und die Kapitalisierungskosten des angewachsenen Gehölzes führt).

Im Rahmen der methodisch fest vorgegebenen Wertermittlungsschritte werden die Normalherstellungskosten unter Berücksichtigung aller Kosten für die funktionsbezogene Herstellung und Pflege (Gehölz, Pflanzung, Pflege in der Anwachs- und Herstellungsphase, Risiko) nach gegenwärtigen Preisverhältnissen ermittelt auf den Zeitpunkt der Funktionserfüllung aufgezinst. Da trotz der Aufzinsung mit aktuellen Preisen gerechnet wird, muss der verwendete Zinssatz inflationsbedingt bereinigt werden. D. h., der unterstellte Zinssatz darf die darin üblicherweise verborgene Geldentwertung nicht enthalten, da diese durch die aktuellen Preise bereits berücksichtigt wird. Von dem auf diese Art und Weise ermittelten Normalherstellungswert (normaler Herstellungswert vor dem Eintritt des Schadens) sind ggf. prozentuale Abzüge aufgrund von Mängeln oder Fehlern des Gehölzes (z. B. frühere Beschädigung, Faulstellen, Wunden, falsche Standortswahl, etc.) durchzuführen.

Einen besonderen Stellenwert im Rahmen der Wertminderung nimmt die sog. Alterswertminderung ein. Die Alterswertminderung ist im Rahmen der Wertermittlung herstellbarer Güter ein Taxationsprinzip, dass u. a. im Schadenersatzbereich für einen nötigen Vorteilsausgleich Sorge tragen soll. Es berücksichtigt den zeitlichen Wertverlauf des Gehölzes ab dem Zeitpunkt der Funktionserfüllung und hängt wesentlich vom Verhältnis des tatsächlichen Gehölzalters am Standort und seiner geschätzten Gesamtlebensdauer ab.

Eine Alterswertminderung tritt danach ab dem Zeitpunkt der völlig abgeschlossenen Herstellung ein. Zu diesem Zeitpunkt, der mit etwa 20 v. H. der voraussichtlichen Lebenserwartung des Baumes angenommen werden kann, hat das Gehölz das volle Traggerüst seiner Äste sowie sein volles Kronenvolumen ausgebildet (Kulmination des altersbedingten Wertverlaufes).

Nach der FLL-Wertermittlungsrichtlinie (2002) spiegelt für wüchsige, gesunde Gehölze die Abschreibung nach der Hyperbelfunktion von BEWER (A = Alter; L = Lebenserwartung; A3 : L3) ab dem Zeitpunkt der Funktionserfüllung die beste Anpassung an den tatsächlichen Verlauf der Alterswertminderung wider. Hierbei ist die Wertminderung zunächst sehr gering und nimmt mit zunehmendem Alter überproportional zu, bis sie gegen Ende der Lebensdauer den Gehölzwert gegen 0 gehen lässt.

 

Beispiel Weide:     Alter am Standort = 60 Jahre 
                                Anwachspflege 3 Jahre; Herstellungszeit = 15 Jahre
                                Zeitpunkt der Funktionserfüllung = 18 Jahre
                                angenommene Gesamtstandzeit = 90 Jahre

Der Zeitpunkt für eine Alterswertminderung tritt im gegebenen Beispiel mit der Funktionserfüllung nach 18 Jahren (Ende der Herstellungszeit) ein. Da das Alter der Weide am Standort 60 Jahre beträgt, ergibt sich das Alter A im Sinne der Alterswertminderung aus 60 J. - 18 J. = 42 Jahre. Die Lebenserwartung L des Baumes entsprechend aus 90 Jahre - 18 Jahre = 72 Jahre. Die Abschreibungsfunktion verdeutlicht, dass die prozentuale Minderung des Baumwertes der Weide wegen Alters im Beispielsfall 19,85 % beträgt.

  Abb. 2: Verlauf der prozentualen Abzüge für Alterswertminderung nach BEWER für eine 
60 Jahre alte Weide mit einer  geschätzten Gesamtstandzeit von 90 Jahren und einem 
Zeitpunkt der Funktionserfüllung nach 18 Jahren  

Oft überlagern sich Alterswertminderung, Mängel und Schäden. Abzüge für Mängel und Schäden, die altersbedingt auftreten, dürfen jedoch nicht zusätzlich zur Alterswertminderung angesetzt werden (Kumulationsverbot). Es ist vielmehr auf die normale standortgemäße Lebenserwartung abzustellen ohne Berücksichtigung der im Laufe der Zeit eingetretenen Mängel und Schäden. Zum Beispiel hat ein Baum auf einem weitgehend naturbelassenen Standort (z. B. Park) grundsätzlich eine längere Lebenserwartung als an einer Straße.

Sämtliche Abschreibungsformeln sind als Kurven darstellbar. Methodisch lassen sich degressive, lineare und progressive Abschreibungsverläufe unterscheiden. Bei Schutz- und Gestaltungsgrün sind degressive und lineare Kurven in der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle nicht geeignet den wahren Wertverlauf z.B. eines Baumes über seine Gesamtstandzeit wiederzugeben, denn i.d.R. halten Gehölze über einen längeren Zeitraum im Rahmen ihrer Funktionserfüllung für das Grundstück auf dem sie stehen, ihren Wert auf relativ hohem Niveau, um danach langsam im Wert abzunehmen und zum natürlichen Lebensende oder aufgrund fallspezifischer Gegebenheiten verhältnismäßig steil abzustürzen. Diesem Verlauf wird die Hyperbelfunktion nach BEWER in den meisten Fällen der Gehölzwertermittlung gerecht.

Nach der vorstehend beschriebenen Berechnung des Normalherstellungswertes der Gehölze nach der Methode Koch ist für die Ermittlung der fallbezogenen, tatsächlichen Schadenshöhe die Art des zu verzeichnenden Schadens maßgeblich.

Man unterscheidet:  

Teilschaden (Beschädigung)

- ohne bleibende Grundstückswertminderung
Das Gehölz/der Baum erleidet keine dauerhafte Funktionsbeeinträchtigung (z. B. leichte bis mittlere Stammwunde). Die Höhe des Teilschadens berechnet sich aus der Kostensumme für die Sofortbehandlungen, Nachbehandlungen und Kontrolle (Nachsorge) sowie dem Risiko infolge der Verletzung (Schwächung, Anfälligkeit gegenüber Sekundärschäden).
 

- mit bleibender Grundstückswertminderung
Das Gehölz/der Baum erleidet eine dauerhafte Funktionsbeeinträchtigung (z. B. bleibende Wurzelschäden durch Abgrabung, große Stammwunden).

Die Schadenshöhe berechnet sich aus der Kostensumme der folgenden Schadenskomponenten: Funktionsverlust des Gehölzes (wirksam im Erscheinungsbild, in Standsicherheit und Lebensdauer), Sofortmaßnahmen, Nachbehandlung und Kontrolle (Nachsorge), Risiko / Merkantiler Minderwert, vorzeitige Ersatzinvestition.

Totalschaden (Zerstörung)
Hier entspricht die Schadenshöhe dem Gehölzwert vor dem Schadensereignis zzgl. der Kosten für die Beseitigung des zerstörten Gehölzes. 

 

 

 

Literatur
Fll Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (Hrsg.) (2002): Richtlinie für die Wertermittlung von Schutz-und Gestaltungsgrün, Baumschulpflanzen und Dauerkulturen. Teil A: Schutz- und Gestaltungsgrün. Bonn, 127 S.

Schulz, H.-J. (1999): Grundsätzliches zur Alterswertminderung und zu Stichtagsprinzipien. Jahrbuch der Baumpflege 1999, S. 37-46, Thalacker Medien, Braunschweig  

Schulz, H.-J. (2000): Die Gehölzausgangsgröße beim Sachwertverfahren und Konsequenzen bei falschem Ansatz. Jahrbuch der Baumpflege 2000, S. 35-42, Thalacker Medien, Braunschweig. In:  Jahrbuch der Baumpflege 2003, S. 24-37,Hrsg. D. Dujesiefken u. P. Kockerbeck, Thalacker Medien, Braunschweig

Schulz, H.-J. (2012): Wertermittlung von Gehölzen (Schutz- und Gestaltungsgrün) - Methode KOCH seit über 35 Jahren Maß der Rechtsprechung. Agrar- und Umweltrecht, 42. Jhg., 2/2012, 41-47  

Tiedtke-Crede, A. (2003): Methode KOCH und die Ziergehölzhinweise. In:  Jahrbuch der Baumpflege 2003, S. 24-37,Hrsg. D. Dujesiefken u. P. Kockerbeck, Thalacker Medien, Braunschweig

 Tiedtke-Crede, A. (2013): Zum Aktuellen Zinssatz bei der Wert- und Schadensermittlung von Schutz- und Gestaltungsgrün (Methode Koch). Wertermittlungsforum WF 3/2013 SVK-Verlag, S. 102-104